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Im Rahmen meiner bisherigen Tätigkeiten an der Katholischen Akademie des Bistums Essen (1993-2011) sowie an verschiedenen Universitäten habe ich mich besonders mit folgenden Themen befasst:



Der "strenge" Monotheismus in Judentum und Islam stellt eine theologische Herausforderung dar, der christliche Theologie nicht ausweichen darf, wenn sie die Trinitätslehre - mit Karl Rahner - als einen "radikalisierten Monotheismus" begreifen will. In der Geschichte der Theologie hat es hierüber immer wieder intensive theologische Auseinandersetzungen zwischen Juden, Christen und Muslimen gegeben - so etwa in den ersten beiden Jahrhunderten des Islam und im Hochmittelalter. Die damals ausgetauschten Argumente sind aufschlussreich auch für die heutigen Fragen nach Tran­szendenz und Offenbarung, Einheit und Dreifaltigkeit Gottes.



Seit jeher haben Theologen das Verhältnis von Zeit, Ewigkeit und Freiheit kontrovers diskutiert. Bin ich wirklich frei, wenn Gott heute schon weiß, was ich morgen tue? Augustinus etwa hat diese Frage bejaht; Boethius hat sie entschieden verneint. Dabei ist das Verhältnis von Zeit, Ewigkeit und Freiheit kein Randthema der Theologie. Es betrifft die Frage nach dem Entschluss Gottes, eine zeitliche Schöpfung hervorzubringen; es betrifft auch die Möglichkeit der Inkarnation, der Menschwerdung des ewigen Logos zu einem konkreten Zeitpunkt in der Geschichte. Im menschlichen Leben ist Freiheit auf Potentialität verwiesen, auf Möglichkeiten, deren Verwirklichung noch aussteht. Die Theologen der Scholastik begriffen Gott als "actus purus". Als reine Wirklichkeit gibt es in Gott keine Möglichkeit, keine Potentialität. Gibt es deshalb in ihm auch keine Freiheit? Die biblisch wohl fundierte Tradition christlicher Theologie behauptet das Gegenteil: Gott ist in höchstem Maße frei; sein Wesen ist es geradezu, frei zu sein, frei handeln zu können. Was also ist damit gemeint, wenn theologisch von der "Freiheit Gottes" die Rede ist? Wie verhält sich Gottes Freiheit zu Zeit und Ewigkeit?


Das Verhältnis von Gott und Welt ist nicht nur ein Thema christlicher Theologie. Muslimische Gelehrte wie Avicenna oder Averroës, aber auch der jüdische Gelehrte Maimonides haben sich der Problematik zugewandt. Christliche Theologen des Mittelalters wie Albertus Magnus, Thomas von Aquin oder Johannes Duns Scottus haben deren Überlegungen kritisch rezipiert. Mit Recht finden Positionen muslimischer oder jüdischer Gelehrter in der neueren katholischen Theologie zunehmend Beachtung. Zumal die seinerzeit diskutierten Probleme nicht nur von historischer, sondern auch von bleibend aktueller Bedeutung sind.


Das Verhältnis von Gott und Welt allein in Kategorien der Substanz zu bestimmen, führt unweigerlich in Aporien. Wenn Gott "alles in allem" ist - oder doch zumindest sein wird (vgl. 1 Kor 15,28) - dann ist eben "Gott alles" und "alles ist Gott". Das aber wäre Pantheismus. Eine bleibende Differenz zwischen Gott und Welt scheint deshalb allein im Begriffsrahmen der Freiheit denkbar zu sein. Denn nur hier begegnet jene formal unbedingte Spontaneität, die sich auch als endliche Wirklichkeit gegenüber der Unbedingtheit der göttlichen Freiheit behaupten kann.


Die Beziehung zwischen Gehirn und Geist wird in Theologie und Anthropologie zunehmend intensiv diskutiert. Hintergründig geht es dabei um die Frage: Was ist der Mensch? Ist er nur das vorläufige Endprodukt eines evolutiven Prozesses? Was zeichnet den Menschen wesentlich aus - womöglich auch und gerade in der Differenz zum evolutiven Prozess? Auf solche Fragen hat die theologische Anthropologie im Gespräch mit und in Verantwortung von den Humanwissenschaften zu antworten. Im Zentrum der kritischen Auseinandersetzung steht dabei die Frage nach der Freiheit des Menschen. Diese lässt sich zwar nach Kant weder sinnvoll bestreiten noch beweisen. Theologisch aber ist sie unaufgebbar - auch gegenüber ihren postmodern-neostrukturalistischen Bestreitungen. Wenn Gott tatsächlich von einem Anderen seiner selbst geliebt werden will - so die bleibend gültige These von Duns Scotus - dann muss der Mensch als frei gedacht werden. Was aber bedeutet Freiheit für den Menschen selbst? Was bedeutet die Freiheit des Menschen für Gott? Und was resultiert hieraus für die Geschichte Gottes mit den Menschen?


Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche als "Sakrament" begriffen. Dabei wird die sakramentale Struktur der Kirche in Analogie zur Inkarnation verstanden: wie Christus in seiner Person göttliche und menschliche Natur vereint, so vereint die Kirche Sichtbares und Unsichtbares, Göttliches und Menschliches (LG 8). Der Begriff der Inkarnation kann deshalb als strukturbildend für den christlichen Glauben insgesamt aufgefasst werden. Er ist grundlegend für die Art und Weise, wie Gott sich den Menschen bekundet und wie Menschen Gott begegnen können. Auch wenn sich der Begriff des Christlichen nicht im Gedanken der Inkarnation erschöpft, eröffnet dieser einen Zugang sowohl zum trinitarischen Gottesglauben wie zur Realität der Kirche und ihrer sakramentalen Wirklichkeit. Das aber bedeutet zugleich, dass Sakramente, Liturgie oder Frömmigkeitsformen von dogmatischem Gewicht sind. Dogmatik ist deshalb aus dem Prinzip "lex orandi lex credendi" zu entfaltet.


Die Besonderheiten des christlichen Glaubens in seinem katholischen Verständnis treten nicht zuletzt im ökumenischen Dialog zutage. Wie der Dialog der Religionen, so kann deshalb auch das ökumenische Gespräch das eigene Glaubensverständnis ebenso bereichern wie kritisch befragen. Weil die Wahrheit innerhalb des Christentums als eine "Symphonie" begegnet - so Hans Urs von Balthasar -, ist sie theologisch angemessen unter Einbeziehung jener Verständnisweisen in Theologie, Liturgie und Frömmigkeit zu explizieren, die in den nichtkatholischen Kirchen und Konfessionen angetroffen werden.


Von seinen Anfängen her zeichnet sich der christliche Glaube dadurch aus, dass er sich nichtchristlichem Denken verständlich machen will. Dabei kann es der Theologie nicht gleichgültig sein, was Philosophen über ihre jeweilige Zeit denken und was sie für gelingendes Menschsein als wesentlich erachten. Will sich der christliche Glaube gegenüber Nicht-Christen verständlich machen, hat sich die Theologie durch zeitgenössisches Denken hinsichtlich der von ihr behaupteten Wahrheitsgehalte herausfordern zu lassen. Dabei rechnet die Theologie mit der Möglichkeit, im Spiegel der Philosophie von ihr selbst noch nicht Bedachtes zu erfahren und sich selbst in diesem Spiegel besser zu verstehen.


Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit seiner Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" der engen Verwobenheit von Religion und Kultur Rechnung getragen. Dabei geht es um ein wechselseitiges Beziehungsgeschehen: Wie der Glaube in die jeweilige Kultur seiner Zeit hinein wirkt, so wird er selbst durch die kulturellen Rahmenbedingungen geprägt, die er vorfindet. Aufgabe der Theologie ist es, dieses Beziehungsgeschehen im Blick auf seine innere Struktur und seine bestimmenden Faktoren hin transparent werden zu lassen. Hierzu bedarf es einer aufmerksamen Wahrnehmung der kulturellen Phänomene einer jeweiligen Epoche in Literatur, Bildender Kunst und darüber hinaus.


Religionen prägen Kulturen - umgekehrt werden Religionen durch die Kulturen geprägt, in die hinein sie sich verbreiten. Wie genau ist diese Wechselwirkung zu bestimmen? Was an einer Religion ist kulturell bestimmt, was entstammt ihrem ursprünglichen Gehalt? Lässt sich ein von Kultur unbeeinflusster religiöser "Ursprungsgehalt" überhaupt identifizieren? - Die Frage nach dem ursprünglichen Gehalt einer Religion ist zugleich die Frage nach ihrer möglichen kulturkritischen Dimensionen. Vonnöten ist also eine Hermeneutik der Wechselwirkung von Religion und Kultur. Lassen sich auf dieser Grundlage Religionen miteinander vergleichen? Oder sind sie "symbolische Formen" (Cassirer) bzw. "heterogene Diskursarten" (Lyotard), zwischen denen keine "transversale Vernunft" (Welsch) vermittelt? Was bedeutete dies nicht nur für die interreligiöse Ökumene, sondern auch für das "Projekt Weltethos" - gerade auch mit Blick auf die mögliche Kritik politischer Verhältnisse?


Wer angesichts des "Trümmerhaufens der Geschichte" (Walter Benjamin) die Möglichkeit einer endgültigen Unversöhntheit der Menschen nicht akzeptieren will, muss sagen können, wie angesichts der humanen Katastrophen der Menschheitsgeschichte Versöhnung überhaupt als möglich gedacht werden kann. Zwar wird in christlich-theologischer Perspektive traditionell geglaubt, dass Gott imstande sei, jegliche Schuld zu vergeben - vorausgesetzt nur, dass sich der Mensch von Gottes Barmherzigkeit erreichen lässt. Gleichzeitig aber stellt sich in neuzeitlicher Perspektive die Frage, ob Schuld - als das "Allerpersönlichste" des Menschen (Kant) - stellvertretend vergeben werden kann. - Wenn aber nur die Opfer selbst ihren Peinigern vergeben können, kann dann Gott die Verbrechen der Menschen vergeben, ohne zuvor ihre Zustimmung eingeholt zu haben? Im Judentum wird diese Frage überwiegend verneint. Für das Christentum stellt sie sich angesichts des neuzeitlichen Subjekt-Denkens in bislang kaum bedachter Dringlichkeit.

DVHL-Podium März 2005v.l.n.r.:
Ursula Schulten (Deutscher Verein vom Heiligen Lande),
Prof. Dr. Sumaya Farhat-Naser (Bir-Zeit-Universität Ramallah),
Dr. Dirk Ansorge,
Abt Benedikt Lindemann OSB (Benediktinerabtei Hagia Maria Sion / Dormition Abbey, Jerusalem)


Als soziale Wirklichkeiten implizieren alle Religionen ein Verhältnis zu politischer Gewalt. Oft wird dabei dem Christentum – im Unterschied etwa zum Islam – ein gewaltkritisches Potential zugeschrieben. Dieses speise sich aus seiner Ursprungsgeschichte und aus seinen Herkunftsbedingungen. – Spätestens seit der Konstantinischen Wende scheinen Religion und politische Gewalt auch im Christentum miteinander verwoben. Ist dies eine Abkehr vom Ursprung – oder ist der Ursprung des Christentums gegenüber politischer Gewalt indifferent, so dass sich von ihm her nahezu jegliche Staatsform legitimieren lässt (vgl. Röm 13)? Wie verhalten sich nichtchristliche Religionen zum Phänomen der politischen Gewalt? Und tritt es wirklich zu, dass monotheistische Religionen aufgrund ihres Exklusivitätsanspruches strukturell zu politischer Gewalt neigen (Assmann)?


Möglicherweise gerade wegen ihrer vermeintlichen Nähe ist die Geschichte der Beziehungen zwischen Christentum und Islam von Missverstehen und Konflikten bestimmt. Reicht aber die Bezugnahme auf den einen Gott (Monotheismus) aus, die Verwandtschaft von Christentum und Islam zu begründen? Tatsächlich hat es historisch betrachtet wohl immer eine größere Affinität zwischen Islam und Judentum gegeben. Beiden gegenüber erschien das Christentum mit seiner Trinitätslehre und der Lehre von der Menschwerdung des Gottessohnes als Polytheismus und somit als Form minderer Religiosität. – Welches Gewicht ist den theologischen Differenzen zwischen Christentum und Islam beizumessen? Welche Konsequenzen haben die theologischen Differenzen für die Sozialgestalt der beiden Religionen? Gibt es einen strukturellen Unterschied zwischen Islam und Christentum hinsichtlich ihres Verhältnisses zur politischen Gewalt? Worin kommen beide Religionen tatsächlich überein?


Religionsgeschichtlich ist das Christentum aus dem Judentum hervorgegangen; die Heiligen Schriften des Judentums sind auch Heilige Schriften des Christentums. Möglicherweise gerade aufgrund dieser Herkunftsbeziehung war das Verhältnis zwischen Christentum und Judentum in der Geschichte nie spannungsfrei. Will man die Geschichte des Abendlandes nicht losgelöst von ihren religiösen Wurzeln begreifen, wird man den Antisemitismus kaum als säkulare oder postchristliche Bewegung verstehen können. Die Shoah entspringt der „Dialektik der Aufklärung“ (Horkheimer / Adorno) wohl ebenso wie anti-jüdischen Traditionen im Christentum. Insofern ist der Theologie eine Bestimmung des Verhältnisses von Judentum und Christentum ebenso aufgegeben wie das je zu erneuernde Bewusstsein von der tragischen Geschichte einer von Anfang an prekären Beziehung der beiden Religionen.


Die abendländische Kultur speist sich aus vielfältigen Quellen. Neben den kulturellen Traditionen des Mittelmeerraumes wurden vor allem das Christentum und - wohl in geringerem Maße - Judentum und Islam prägend. Das Bewusstsein dieser Herkunft scheint in dem Maße zu schwinden, wie Geschichte - in Historischen Museen etwa oder auf Mittelalter-Märkten - folkloristisch inszeniert wird. Verliert das "Abendland" damit seine kulturelle und religiöse Identität? Die Diskussion um die Erweiterung der Europäischen Union legt diesen Verdacht nahe. - Was aber macht die Identität des Abendlandes überhaupt aus? Worin unterscheidet sich die abendländische Kultur ihrem Wesen nach von anderen Kulturen? Welche geschichtlichen - auch religiösen - Faktoren bestimmten das Abendland in seinem Entstehen; welche Faktoren sind bis auf den heutigen Tag - und darüber hinaus - bleibend konstitutiv für seine Identität?



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